Ich wünsche euch & euren Familien ein wunderschönes, friedliches Weihnachtsfest und besinnliche, ruhige Feiertage! Genießt die Zeit zwischen den Jahren zum Aufatmen und umgebt euch mit den lieben Menschen, die euch nahe sind. Lasst euch beschenken, vor allem mit kostbaren Momenten und freudigen Erinnerungen. Lasst es euch gut gehen und schätzt all das, was wir haben. Oft erscheint dies auf den ersten Blick nämlich weniger, als es tatsächlich ist.
Über die Thematik der Weihnacht habe ich in der gemeinsamen Aktion mit vielen Autoren eine Shortstory verfasst, die in einem gesammelten Ebook am 14.12.18 veröffentlicht wurde. Es ist ein kleiner Einblick in meinen Debütroman „Seelenlicht – Im Zeichen der Verborgenen“. Für diejenigen, die die Geschichte bereits kennen, sind kleine Details enthalten, die vielleicht über die lange Wartepause bis Band 2 hinweg trösten – für einen Leser, der die Story aber noch nicht kennt, fast unsichtbar sind 🙂 Viel Freude mit Cajas zauberhafter Weihnachtsgeschichte über die Bedeutung von Besinnlichkeit am Heiligen Abend … Alles Liebe wünscht euch eure Jay.
*~STERNENPLATZ~*
Weihnacht. Zeit für Besinnlichkeit, Stille und Frieden. Wenn die Tage kürzer und die Welt weißer wird, fangen wir an, dieser Magie zu lauschen, die uns überall umgibt und für die wir im Alltag dennoch blind sind. Dabei schlummert in einem jeden von uns, dieser innere Zauber, der so vieles ermöglichen kann. Wenn man denn bereit ist, etwas näher hinzusehen.
Wir alle sind nur ein Teil des weiten Universums, dessen Unendlichkeit wir nur im Geringsten erahnen können. Während wir unseren eigenen Anteil dazu beitragen, die Erde zu einem besseren Ort zu gestalten, wissen so viele nicht, dass es nicht die einzige Welt ist. Auch wenn ihr uns nicht wirklich sehen könnt, solltet ihr wissen, dass es uns gibt. Ihr könntet ebenso einer von uns sein, denn wir sind nicht anders, als ihr es je gewesen seid. Nur dass wir eine Bestimmung erhielten, wie Fluch und Segen zugleich. Anfangs fällt es schwer, sie mit Würde und Stolz im Herzen zu tragen, denn wir werden zu einem unbestimmbaren Zeitpunkt aus unserem Leben gerissen, um zwischen den Welten zu wandeln. Ob wir Einfluss darauf haben? Manche Dinge geschehen einfach, ohne dass wir danach gefragt werden. Denn manchmal hat das Schicksal bereits andere Pläne mit uns.
Mein Name ist Caja und meine Wandlungsgestalt ist ein kleiner, grauer Waschbär. Man sagte mir, die Sterne hätten einen Plan, eine Begründung, weshalb sie uns genau dieses Schutztier schenken. Es gibt so viele Bedeutungen für uns – doch ihr werdet sie eines Tages selbst herausfinden. Ich bin alt und habe einige Jahre in den Wäldern Montanas mit den anderen Wandlern verbracht. Manchmal trennen sich gemeinsame Wege, jedoch gibt es nicht selten auch die Möglichkeit, noch einmal zurückzukehren, um einander zu sehen. Ganz besonders zum Fest der Liebe sollten unsere Herzen wieder zusammen finden und Frieden schließen.
Schnee bedeckt die Douglasien und rieselt in weichen Flocken über den Hang. Ich erkenne das Holzhaus und sehe das Leben darin funkeln. Lichterketten schmücken die Veranda und tauchen alles in ein warm schimmerndes Licht. Der Zauber der Weihnacht liegt über dieser von Einsamkeit geprägten Gegend. Ich erinnere mich an Masons Traurigkeit, als seine große Liebe Maeve so spurlos verschwunden ist – und an seine Hoffnung, die er niemals für sie aufgegeben hat. Aber diese Geschichte erwartet euch ein anderes Mal, in einem anderen Buch.
Vor dem Waldhaus erkenne ich spuren, die vom Neuschnee noch nicht überdeckt wurden. Tiefe Abdrücke von Tatzen, die um das Haus geschlichen waren, als hätte jemand nach dem Rechten sehen wollen. Nicht Jemand, denke ich mit einem Schmunzeln und es erwärmt mein kleines Herz. Sayde hatte nach ihnen gesehen und das war ein wunderschönes Zeichen. Wo er in all den Jahren so verbittert zurück blieb, wusste er dennoch was für ein bedeutender Abend heute war. Es mag ein altes Märchen sein, scheinbar aber nicht unwirklich genug, um uns in dem Glauben zu lassen, es könnte einen Funken Wahrheit in sich tragen. In der Weihnachtsnacht geschehen Wunder. Man erzählte es mir bereits als Kind und ich erzählte es vor vielen Jahren Sayde. Er hatte diesen Worten nie Beachtung geschenkt, verwehrte sich ganz offensichtlich dieser Tiefgründigkeit aus Zauber, Glaube und Wärme. Doch etwas schien sich verändert zu haben, das beweisen die Spuren vor Masons und Maeves Haus ganz eindeutig. Saydes kühles, distanziertes, gut verbarrikadiertes Herz hatte einen Funken Liebe gefunden. Und wenn das allein nicht schon für ein Winterwunder sprach, dann wusste auch ich aus all meiner Erfahrung in den langen Jahren nicht mehr weiter.
Mit einem Lächeln folge ich der Spur im Schnee, die wieder in Richtung Wald geht. Ob ich ihn finden würde, an diesem heiligen Abend? Wie gern würde ich ihn ansehen und ihm sagen, wie stolz ich auf ihn bin, wie ehrlich beeindruckt von seiner Tat. Dass er, nach allem was zwischen ihm und Maeve geschehen war, dennoch seine Anteilnahme zeigt. Er ist ein großer Kämpfer, dessen Narben Ehre verdienen. Doch wen hier draußen, in einem Wald aus Douglasien und Kälte, interessiert das? Das Leben in unseren Wandlungsgestalten ist vom Überleben geprägt. Die Sommer in Freiheit sind wunderschön, schmecken nach dem Duft von Zitronen, der überall von den Douglasien ausgeht. Dagegen fordern die Winter ihre Tribute und verlangen uns vieles ab. Nur der Zauber der Weihnacht legt einen friedlichen Schleier über diese kurze Zeit. Etwas Bedächtiges, etwas Tröstliches. Eine Zeit, in der wir in uns gehen, tiefer in unsere Herzen blicken und unsere Gedanken ein wenig friedlicher und ruhiger werden.
Im Wald verliert sich allmählich die dichte Schneedecke und es fällt mir schwer den Spuren zu folgen. Trotz der Kälte, die langsam zu mir hindurch dringt, fühle ich mich Zuhause. Das Knacken der Äste, die raue Rinde an den Bäumen – alles ist mir so vertraut. Eine angenehme Stille schwebt unter den schweren, von Schnee bedeckten Baumkronen, als würden sie uns von der Welt abschirmen. Erneut lächle ich. Auch das war irgendwie ein bisschen wahrer, als es den Anschein machte.
Ich laufe weiter und sehe mich um. Dieser Dunkelheit hier fehlt jeglicher Weihnachtsglanz. Wie viel schöner der Heiligabend unter den Menschen doch war. Wie viel erfüllter. Kurz ertappe ich mich bei dem Gedanken, ob mir ein Tausch lieber gewesen wäre. Wollte ich überhaupt noch einmal dort sein? Nach all der Zeit, nach all den Jahren? Ist mein Platz nicht inzwischen hier in den Wäldern? Es ist nicht entscheidend, wann sich das Blatt gewendet hat und ich unsere zweite Welt zu bevorzugen begann.
Ein Fauchen erreicht mich irgendwo aus dem Hinterhalt und obwohl es mir zuerst einen Schauer über den Rücken jagt, füllt freudige Erleichterung mein Herz. Ich habe ihn gefunden und im selben Moment weiß ich, dass ich nirgendwo anders sein will. Dass genau hier der richtige Platz für diesen Weihnachtsabend ist.
»Sayde?«, rufe ich leise in den Wald hinein und warte stille Augenblicke ab. »Ich bin es, Caja.«
Knirschende Schritte nähern sich mir in der Dunkelheit, zögerlich und bedacht.
»Caja?« Eine tiefe Stimme dröhnt zu mir herüber. Als traut er weder meinen Worten, noch seinen Augen. »Wie ist das möglich?«, fragt er und da erkenne ich ihn zwischen den Baumreihen. Sein silberner Blick funkelt im schwachen Licht des Mondes und seine schwarzen Beine und Pfoten verschwinden beinahe im Dunkel der Nacht. Die Bewegungen des Pumas sind anmutig, fast schon edel und dennoch bedrohlich. Mir ist bewusst, dass kein anderer in meiner Gestalt sich einem solchen Tier derart naiv nähern würde.
»Es ist dieser eine besondere Abend für weihnachtliche Besuche, oder nicht?«, erwidere ich mit einer Frage und trete näher an ihn heran. Er scheint zu wissen, worauf ich anspiele, dennoch verrät er sich nicht. Nicht Sayde, dessen Fassade geschützter und stärker geworden war, als die Mauer einer Burg. Obwohl ich mir für sein Kämpferherz wünsche, es möge weicher und wärmer werden, so sehr empfinde ich auch Verständnis für ihn. Er hatte einst einen sehr hohen Preis für seine Stärke bezahlt.
»Schön, dich wiederzusehen, Caja«, brummt seine Stimme zu mir herüber und bereits diese Worte sind voller Bedacht gewählt. »Wieso bist du heute hier – wie kann das sein?« Als ich seine Pfote berühre zuckt er kurz zusammen. Ist es tatsächlich schon wieder so lange her? Wer bestimmt denn, ab welchem Zeitraum man von Vermissen und Entfernung spricht? Das Herz entscheidet, denke ich leise und ein Lächeln zaubert sich auf mein Gesicht.
»Würdest du mich heute Nacht zu meinem Sternenplatz begleiten, Sayde?«, frage ich und blicke in sein ernstes Gesicht.
»An deinen Sternenplatz? Das ist beinahe auf der anderen Seite des Waldes …?« Ich erkenne die Verwirrung in seinem Unterton, als sei er sich nicht sicher, ob ich den Verstand verloren hatte.
»Die Sterne sind doch überall«, füge ich leise, fast kichernd hinzu. »Und nun lass uns gehen.«
Ein tiefes Brummen ertönt aus seiner Kehle und hätte ich es nicht bereits hunderte Male gehört, wäre es mir unheimlich vorgekommen. Stattdessen mustere ich seine silbernen Augen und warte darauf, dass er sich vor mir verneigt, um mich auf seinem Rücken zu tragen.
»Das ist nicht gerade das Weihnachten, das ich geplant hatte«, murmelt Sayde, während ich auf seinen Rücken klettere. Sein Fell ist angenehm warm und weich.
»In all den Jahren, in denen ich dich kennen gelernt habe, hast du deine Höhle auch am Weihnachtsabend nicht verlassen. Und heute entdecke ich deine Fußspuren im Schnee vor dem Waldhaus. Seit wann hast du also Pläne für den heiligen Abend, Sayde?« Ich höre sein Seufzen und spüre dabei, wie seine Schultern ein wenig nachgeben.
»Ich mach es wie du und sehe noch ein letztes Mal nach denen, die geblieben sind«, flüstert er so leise, dass es beinahe mit dem Rieseln der Schneeflocken zu vergleichen ist. Mein Herz pocht stärker mit seinen Worten und ich spüre sofort die Bedeutung darin.
»Es ist die Zeit des Friedens. Eine Botschaft, die uns zeigen soll zu vergeben, unsere Herzen frei zu machen von dieser Last. Sei diese Bürde, die uns aufgetragen wurde, auch noch so schwer. Auch du wirst eines Tages verzeihen können, Sayde. Eines Tages, da bin ich sicher.«
Lange Momente vergehen, in der mir der Puma nicht antwortet. Also hänge ich meinen eigenen Gedanken nach, gefüllt von Wärme und weihnachtlicher Freude. Ich denke an Kinder, die voller Vorfreude und Euphorie ihre Geschenke auspacken. An ihr Lachen, das in den Fluren hallt. An den Duft von süßem Gebäck, Zimt und Punsch. An das Knistern des Kaminfeuers und die weihnachtlichen Dekorationen in den Fenstern. Und ich denke daran, dass egal wie unterschiedlich dieser Abend in all den Familien, den Häusern oder auch hier draußen in der Kälte der Nacht gefeiert wird, so trägt er überall dieselbe Bedeutung: Liebe.
Dieses ruhige, angenehme Gefühl des Ankommens, das dann in unserem Inneren friedlich schlummert. Zu wissen, dass man seinen Platz gefunden hat und geliebt wird, ermöglicht erst, dass wir selbst unser Herz noch ein weniger weiter öffnen.
»Ist Liebe nicht etwas Wundervolles?«, spreche ich diesen Gedanken laut aus.
»Liebe?«, fragt Sayde beinahe etwas verächtlich schnaubend zurück.
»Wir alle wurden von der Liebe enttäuscht und wir alle mussten lernen, wie es ist neu zu lieben. Du wirst es wissen, wenn es soweit ist. Aber die Liebe wird dich erst finden können, wenn du ihr gegenüber bereit bist – keinen Moment früher.« Ich hätte noch vieles über die Liebe sagen können. Doch ich spüre seine Anspannung, seine Verbitterung und seinen alten Schmerz.
»Bist du gekommen, um mit mir über die Liebe zu reden, Caja?«, fragt er skeptisch und seine Ohren zucken nervös. »Oder gibt es einen anderen Grund für deinen Besuch?« Ich lächele über seine Worte und die Art wie er ‚Besuch‘ betont.
»Ich kam um dir zu sagen, dass …« Doch meine Worte verklingen in der Stille, verfliegen ins Nirgendwo. Es gibt so viele mögliche Antworten, so viele, die gleichzeitig nichts auszusagen scheinen. Ich möchte ihm sagen, dass sein Schmerz eines Tages verblassen und neues Vertrauen erwachen wird. Dass er in seiner Einsamkeit niemals alleine ist, wenn er in seinem Herzen einen Platz für uns frei hält. Dass er genug gekämpft hatte und es irgendwann auch an der Zeit ist, nachzugeben oder loszulassen. Du musst euch endlich verzeihen, denke ich. Damit dein Herz wieder frei ist für das Leben und all das Glück, das noch auf dich wartet. So viel Freude, so viele wunderbare Momente stehen dir noch bevor und wollen gelebt und gefeiert werden. Egal wie schwer dein Weg war, den du bis hier her gegangen bist – von nun an, kannst du ihn mit jedem neuen Schritt verändern. Es liegt an dir, deine innere Stärke gegen ein bisschen Wärme einzutauschen. Es ist deine Entscheidung, deine eigene Bereitschaft, dieses Kapitel nun zu schließen und ein neues zu beginnen. Schließe diesen Frieden mit dir selbst Sayde und du wirst wieder aufblicken – in ein neues Leben blicken können. In ein neues Jahr. Du bist doch längst zu mehr bereit, als du dir selbst eingestehen willst. Und ich weiß, dass Maeve von ganzem Herzen stolz auf dich wäre.
All das will ich dem Puma sagen, doch stattdessen sind es andere Worte.
»Man sagt in der Weihnachtsnacht geschehen Wunder. Und dir Sayde, dir wünsche ich genau dieses Wunder. Für heute Nacht und alle Nächte, die folgen werden. Lass dein Herz für dich sprechen und öffne es für all den Zauber, den die Welt für dich bereit hält. Es ist das Fest der Liebe und deshalb bin ich heute für dich da. Fröhliche Weihnachten, alter Freund«, flüstere ich ihm zu und lausche dem kehligen Schnurren einer viel zu großen Katze, als hätte sie es sich innerlich vor einem glimmenden Kaminfeuer gemütlich gemacht. Und in diesem Moment erkenne ich, dass dies das schönste Geschenk ist, das mir je am Heiligen Abend gemacht wurde.